Antje Nöhren ist seit 2019 Geschäftsführerin des Kultursekretariats NRW in Gütersloh. Gemeinsam mit ihrem Team fördert sie den Dialog zwischen Mitgliedsstädten und dem Land NRW und unterstützt landesweit die Entwicklung und Umsetzung von Kulturprojekten in verschiedenen Sparten.


1. Das Kultursekretariat NRW Gütersloh hat in den letzten Jahren sehr erfolgreiche „junge“ Förderprogramme für die kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen aufgelegt. Welche Ziele verfolgen Sie damit?

Ziel des Schwerpunktbereichs „Kulturelle Bildung“ im Kultursekretariat NRW Gütersloh ist es, Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrem sozioökonomischen und kulturellen Hintergrund mit der Kultur in ihrer Stadt vertraut und in ihrem Selbstverständnis zu „Kultur-Kundschafter*innen“ zu machen. Über die „Kulturstrolche“ lernen die teilnehmenden Kinder während ihrer Grundschulzeit die künstlerischen Sparten in den Kultureinrichtungen ihrer Stadt kennen. Zielgruppengerechte Programme laden zum Mitwirken, Erkunden und Gestalten ein. Für Jugendliche schließt mit dem Programm „(D)ein Ding“ ein offener Experimentierraum an, in dem jugendkulturelle Formensprache einen Ausdruck finden kann. Das Tanzprojekt „Durchdrehen“ vernetzt zweijährlich Jugendliche aus ganz NRW, die sich auf der Bühne ausprobieren wollen. Unser Ziel ist es, unsere Mitgliedsstädte dabei zu unterstützen, Kinder und Jugendliche mit der ganzen Bandbreite künstlerischer Praxis in Berührung zu bringen – über das reine Rezipieren hinaus.

2. Wo sehen Sie – in Bezug auf die kulturelle Bildung – den größten Unterstützungsbedarf von Kommunen in eher ländlichen Räumen?

Vor allem aus den kleineren Mitgliedsstädten wird uns gespiegelt, dass – anders als in den Oberzentren – die Erreichbarkeit von Kultureinrichtungen eine echte Herausforderung darstellt. Fehlende Mobilitätsangebote für Schulen oder andere Bildungseinrichtungen erschweren und verteuern teilweise die Projektarbeit und die Vernetzung. Auch kann in kleinen Kommunen nicht das ganze Spektrum kultureller Sparten angeboten werden. Hier ist dann zum Beispiel die Kooperation mit benachbarten Gemeinden wichtig. Dies erfordert allerdings oftmals zusätzliche Zeit- und Personalkapazitäten. Das Kultursekretariat NRW Gütersloh trägt dazu bei, diese Vernetzung der kleineren Städte und Gemeinden zu unterstützen, um das Kulturangebot auch in ländlich geprägten Gegenden zu fördern.

3. Die Kommunen stehen gerade vor der großen Herausforderung, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung umzusetzen. Welche Rolle sollte aus Ihrer Sicht die kulturelle Bildung im Ganztag spielen?

Im Idealfall können die kulturellen Bildungsangebote, die in Kultureinrichtungen, -vereinen etc. entwickelt wurden, mit dem Ganztag eng verzahnt werden. Fachkräfte können so im Rahmen des Ganztages eingesetzt, außerschulische Lernangebote in den Kulturstätten am Ort im Nachmittagsangebot wahrgenommen werden. Dies würde perspektivisch noch stärker dazu beitragen, die Kultureinrichtungen und -anbieter der eigenen Stadt besser kennen- und wertschätzen zu lernen. Außerdem läge darin die Chance, den musischen Fächern im Rahmen des Systems Schule wieder einen höheren Stellenwert einzuräumen.

4. Wir leben in einer Zeit vielfältiger Umbrüche und Krisen.
Wie kann kulturelle Bildung aus Ihrer Sicht Kinder und Jugendliche in ihrer Widerstandskraft/Resilienz stärken?

Kunst und Kultur in ihrer Unmittelbarkeit zu erleben, in kreativen Schaffensprozessen mit anderen zu interagieren und die eigene Wirksamkeit in kulturellen Teilhabeprozessen zu erfahren, ist aus meiner persönlichen Sicht eine kraftvolle Quelle für die Entwicklung eines weiten Horizonts, einer individuellen Ausdruckskraft, aber auch für ein empfundenes Miteinander. Kulturelle Bildung kann nicht zuletzt dazu befähigen, sich Neuem zu öffnen, sich auszuprobieren, zu improvisieren. Diese Fähigkeiten können hilfreiche Instrumente zur Bewältigung neuer Herausforderungen in Anbetracht ungewisser Zukunftsaussichten sein.

5. Welches kulturelle Bildungsangebot hat Sie zuletzt begeistert?

Der noch relativ junge Verein „GiB – Gesellschaft in Bewegung“ hat 2022 in einem Community Dance-Projekt über 200 Kinder und Jugendliche aus mehreren Bielefelder Schulen im Rahmen des Projekts „WIRus“ mit Theater, Tanz und Musik in Berührung gebracht und aktiviert. Siebzehn Künstler*innen und Lehrer*innen waren in die Realisierung des spartenübergreifenden Gesamtprojektes eingebunden, aus dem eine Vorstellung hervorging, die abschließend auf der Bühne der Oetkerhalle präsentiert wurde. Die Begeisterung der Kinder und Jugendlichen und das hohe Engagement aller Beteiligten ist spürbar übergesprungen und war auch für das Publikum eine überwältigende Erfahrung. Eines von vielen starken Projekten mit nachhaltiger Wirkung.

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(D)ein Ding


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