Portrait_JO

Foto: Torsten Schäfer

Jari Ortwig (M.A.) ist seit dem 01. Februar die neue Studienleiterin an der Akademie der Kulturellen Bildung. Nach ihrem Studium (Kunstgeschichte und Romanistik in Nürnberg und Turin) und einem Volontariat an der Kunsthalle Düsseldorf arbeitete sie u.a. freiberuflich für das NRW KULTURsekretariat, das Kulturamt der Stadt Köln, die Oper Wuppertal, die Beethovenfeste Bonn sowie das Quartier am Hafen in Köln. Zuletzt war sie für das Max Ernst Museum Brühl des LVR tätig und war Lehrbeauftragte für Kulturmanagement an der TH Köln.

1. Du hast als Kuratorin und Kulturmanagerin unterschiedliche Bereiche des Kunst- und Kulturbetriebs kennengelernt. Was hat dich am meisten geprägt?

Der enge Austausch mit Künstler*innen hat mich mit Sicherheit am meisten geprägt, eine Erfahrung, die ich auch in Zukunft nicht missen möchte, und die sich auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis niederschlägt. In künstlerische Welten und Denkweisen einzutauchen kann Türen öffnen, von denen man nicht einmal wusste, dass es sie gibt. Ich denke, hier steckt viel Potenzial für die Kulturelle Bildung, gerade wenn es darum geht, das Leben in seiner Vielschichtigkeit zu erfahren, dem Fremden mit Neugierde zu begegnen und mit Ambivalenzen umzugehen.

2. Welche Rolle spielt für Dich der interdisziplinäre Ansatz in der kulturellen Bildung?  

Als Kunsthistorikerin komme ich selbst ursprünglich aus der Bildenden Kunst. Im Laufe meiner langjährigen Freiberuflichkeit habe ich mir weitere Kultursparten erschlossen und hier auch gezielt an Schnittstellen gearbeitet. Ich selbst gehe nicht davon aus, dass Kunst von Können kommt oder Virtuosität eine Voraussetzung für die Qualität von Kunst ist. Vielmehr geht es doch um die Frage, was ausgedrückt werden will und wie. Ich glaube, das nimmt auch den Druck heraus, etwas sehr gut machen zu müssen, um damit sichtbar zu werden. An manchen Kunsthochschulen schreiben sich Studierende nicht für eine Disziplin ein, sondern widmen sich einem inhaltlichen Thema und erforschen dieses mithilfe verschiedener Medien. Ich glaube, Interdisziplinarität, egal ob innerhalb des eigenen Tuns oder im kollektiven Austausch, hat demokratische Züge und hält den kreativen Prozess lebendig.

3. Welche Themen sind und werden aus Deiner Sicht immer wichtiger in der Kulturellen Bildung?

 So wie in der Kunst und Kultur werden wohl auch in der Kulturellen Bildung die sozialpolitischen Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr auszuklammern sein, so dass Themen wie „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, „Globales Lernen“ und „Demokratiebildung“ zukünftig wahrscheinlich verstärkt mitzudenken sind – ohne jedoch die Autonomie des Spielerischen, Künstlerischen und der Kreativität zu gefährden, etwa indem sie lediglich als „Transportmittel“ für politische Themen eingesetzt werden. Dieser Spagat ist sicherlich eine große Herausforderung für alle, die in der Kultur und in der Kulturellen Bildung tätig sind.

4. Welchen weiteren Herausforderungen der Kulturellen Bildung siehst Du insbesondere für Kinder und Jugendliche?

Es ist vielleicht ein bisschen so wie mit den Herausforderungen der Kultur- und Museumslandschaft – nicht selten möchte man Menschen an einer Haltestelle abholen, an der sie nicht stehen. Was ist, wenn die Angebote für Kinder und Jugendliche nicht aus der Draufsicht entwickelt werden, sondern von und mit ihnen? Gleichzeitig steigen auch in diesen Altersgruppen die psychischen Belastungen und Erkrankungen. Hier gilt es noch viel genauer zu schauen, wo kulturelle Angebote und Aktivitäten, Gemeinschaftsprojekte und vermeintliche Ressourcen auch überfordernd sein können.

5. Als Heilpraktikerin für Psychotherapie hast Du Dich im Bereich der Traumatherapie weitergebildet. Welche Rolle wird das in Deiner Arbeit an der Akademie der Kulturellen Bildung spielen?

Ich habe mich in den letzten Jahren sehr intensiv mit den Ursachen, Auswirkungen und Folgen von Trauma beschäftigt. Gerade im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit haben nicht nur Traumatisierungen durch Flucht und Kriege, sondern auch Bindungstraumata innerhalb der eigenen Familie einen wesentlichen Einfluss auf das Miteinander in Kita, Schule und anderen öffentlichen Einrichtungen. Ich denke, hier muss noch viel mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden – ein Anspruch, der natürlich weit über die Kulturelle Bildung hinaus geht, langfristig aber auch hier berücksichtigt werden sollte, etwa durch Trauma sensible Vermittlungsformate.


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