Am 15. Mai 2023 hat Thomas Hartmann die Leitung des Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrums (KJF) übernommen. Thomas Hartmann ist Medienpädagoge und Kulturwissenschaftler. Die Auseinandersetzung mit Medienangeboten für Kinder gehört seit vielen Jahren zu den Schwerpunkten seiner Arbeit. Lange hat er als Autor und redaktioneller Mitarbeiter für den WDR-Kinderhörfunk sowie als freiberuflicher Medienpädagoge gearbeitet.


1. Das Kinder- und Jugendfilmzentrum arbeitet bundesweit im Bereich Fotografie und Film. Was macht das KJF einzigartig?

Die Arbeit des KJF hat im Wesentlichen zwei Säulen. Da sind zum einen die bundesweiten Medienwettbewerbe für Kinder und Jugendliche in den Bereichen Fotografie, Film und digitale Medien, die wir seit Jahrzehnten mit verschiedenen Partnerinstitutionen durchführen. Da ist aber auch die Filmkritik, die im KJF fest verankert ist. Der Gründungsgedanke unseres Hauses geht auf den Anspruch zurück, den Kinderfilm in Deutschland stärken zu wollen. Seit damals (1977) haben sich die Rahmenbedingungen dafür allerdings grundlegend verändert. Nicht nur Kinderfilme, sondern Medieninhalte für Kinder generell sind heute omnipräsent. Umso wichtiger sind unsere Filmtipps – für Kinder und Jugendliche selbst, aber auch für Eltern, Multiplikator*innen und Fachpublikum. Für diese Arbeit sind unsere Erfahrungen aus den Wettbewerben ein wichtiger Impulsgeber. Aus dem Zusammenspiel von handlungsorientierter Medienarbeit und der kritischen Einordnung professioneller Medienproduktionen für junge Zielgruppen entstehen viele Synergieeffekte, die das Profil des KJF prägen und es für mein Empfinden tatsächlich einzigartig machen.

2. Haben sich die Sehgewohnheiten (von Kindern- und Jugendlichen) in den letzten Jahren sehr verändert?

Aber ganz bestimmt! Ich muss an dieser Stelle hoffentlich nicht die ganze Geschichte des technologischen Wandels, der Digitalisierung und der permanenten Verfügbarkeit von Medieninhalten wiedergeben, nur um wortgewaltig darzulegen, was ohnehin alle wissen. Es prüfe sich einfach jeder Erwachsene selbst, inwiefern seine oder ihre Sehgewohnheiten sich in den letzten, sagen wir zehn Jahren an die neuen technischen Gegebenheiten angepasst haben. Wir schätzen das doch irgendwie alle. Warum also sollte das bei Kindern anders sein? Verglichen mit den Erfahrungen meiner Generation, verändert sich die Mediennutzung der Generation Alpha vermutlich noch radikaler, denn sie hat keine analoge Blaupause, an der dieser Wandel für sie messbar wäre. Wir Erwachsene tun gut daran, die Mediennutzung junger Menschen sorgfältig und vor allem vorurteilsfrei zu studieren, denn die Digitalisierung bestimmt nunmal die Gegenwart und die Zukunft.

3. Wo findet man gute Kinder- und Jugendfilme – auch abseits vom Mainstream?

Tatsächlich braucht es ein wenig Eigeninitiative, um jenseits der intensiv beworbenen Marken und der entsprechend populären Titel die besonderen Filme zu finden. Wir verstehen es als unseren Auftrag, genau diese Schätze zu heben und sie mit entsprechenden Altersempfehlungen auf einer Plattform wie der Kinderfilmwelt (www.kinderfilmwelt.de) sichtbar zu machen. Beim Einstieg in die Filmkultur macht es nämlich einen Unterschied, ob junge Menschen relativ wahllos Filme schauen, die laut FSK für sie freigegeben sind, oder ob sie genau die Titel wählen, die exakt ihrem Alter entsprechen. Idealerweise laufen die Filme dann auch im Kino, alternativ findet man sie aber zum Beispiel auch beim Streaming-Anbieter Filmfriend, der unsere Altersempfehlungen direkt übernimmt. Für junge Menschen, die kein Kino in der Nähe haben, leistet der Bundesverband Jugend und Film (BJF) mit seiner ausgezeichnet kuratierten Clubfilmothek hervorragende Arbeit. Sehr zu empfehlen sind natürlich auch die vielen Kinderfilmfestivals, die über das ganze Jahr verteilt in vielen Städten Deutschlands stattfinden. Am 04. Juni beginnt zum Beispiel wieder das traditionsreiche Festival Goldener Spatz in Gera und Erfurt. Bei solchen Events sind Kinder und Familien natürlich immer herzlich willkommen und können Filmkultur als besonderes Ereignis erleben.

4. Was bedeutet kulturelle Bildung für dich persönlich?

Dass ich mich in diesem Arbeitsfeld engagiere, hat viel damit zu tun, dass ich während meiner Kindheit und Jugend selbst sehr viel von Kultureller Bildung profitiert habe. Für mich war vor allem Musik, also das Erlernen eines Instruments und das aktive Musizieren in Orchestern und BigBands, der Schlüssel zu einer anderen Welt. Kulturelle Bildung hat mir neue Horizonte eröffnet, mich meine eigenen kreativen Potentiale entdecken und selbstbewusst an sie glauben lassen. Bis heute spüre ich, wie sehr mich diese Erfahrungen geprägt und bereichert haben – beruflich wie privat. Es klingt vielleicht etwas pathetisch, aber vor diesem biografischen Hintergrund empfinde ich es fast als Auftrag und auch als ein großes Privileg, Kindern und Jugendlichen Wege zu ähnlichen Erfahrungen zu ebnen und sie ein Stück darauf zu begleiten.

5. Was ist das nächste Highlight im Kalender des KJF?

Unser Bundes.Festival.Film. steht quasi schon in den Startlöchern. Vom 16. bis 18. Juni präsentieren und prämieren wir in Augsburg – gemeinsam mit der Medienstelle Augsburg des JFF – die besten Einreichungen aus dem Deutschen Jugendfilmpreis und dem Deutschen Generationenfilmpreis. Darauf freue ich mich schon sehr, denn das Festival ist gleich in doppelter Hinsicht ein Highlight für mich. Zum einen sind die dort gezeigten Filme nämlich wirklich phantastisch und auch die Atmosphäre des Festivals ist ziemlich einzigartig – sehr familiär, sehr wertschätzend, sehr behaglich. Zum anderen habe ich das Festival selbst sieben Jahre lang geleitet und habe nun das Vergnügen, es aus ganz anderer Perspektive genießen zu dürfen. Das wird für mich ohne Zweifel ein besonderes Erlebnis. Wer in Augsburg und Umgebung lebt, sollte sich die Veranstaltung nicht entgehen lassen. Kostet auch nix! Infos gibt’s auf www.bundesfestival.de

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